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Die Antwort auf Burnout: Das Resilienzkonzept

Antwort auf Burnout - Resilienz
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Momentan erscheint fast täglich in der aktuellen Presse ein Titel, der sich mit dem Burnout – Syndrom beschäftigt. Was häufig fehlt ist eine klare Antwort, wie mit der Problematik umgegangen werden kann. Meiner Meinung nach bietet das Resilienzkonzept eine hervorragende Möglichkeit Stress, Krisen und Burnout professionell zu bewältigen. Martin Luitjens und Ulrich Siegrist, die Autoren  des „3o Minuten Resilienz“ Ratgebers schaffen es auf 96 Seiten kurz, prägnant und fundiert einen Einblick in das Resilienzkonzept zu geben. Wer einen ersten Einstieg in die Thematik der seelischen Widerstandsfähigkeit sucht, ist mit „30 Minuten Resilienz“ gut beraten.

Was mir sehr gut gefällt: Das Buch ist nicht zu theoretisch aber auch nicht zu flach. Es gibt praktische Anleitung zum Umgang mit Krisen und zur Förderung von Resilienz. Mit Beispielen aus der Coaching – Praxis der Autoren wird das Konzept greifbar und anwendbar.  Ein Kurz-Fragebogen, zur Erstellung des eigenen Resilienzprofils, rundet das Werk ab.

Ich befasse mich seit mehreren Jahren mit dem Resilienzkonzept.  Da es für meinen Geschmack immer ein bisschen zu lange dauert, bis sich die Forschungsergebnisse in der Praxis durchsetzen, möchte ich Ihnen mit dem folgenden Übersichtsartikel einen kleinen Einblick in die Ergebnisse  der Resilienzforschung geben.

Resilienz: Emmy Werner

Die Erkenntnisse über resilientes Verhalten basieren überwiegend auf einer Langzeitstudie: 698 Kinder der hawaianischen Insel Kauai, die im Jahr 1955 geboren wurden, wurden 40 Jahre lang von der Psychologin Emmy Werner begleitet. Sie wollte wissen, wie sich frühe negative Erfahrungen auf Psyche und Entwicklung der Kinder auswirken, die alle in ein riskantes Umfeld hineingeboren wurden.

200 der Kinder galten als hochgradig gefährdet. Sie waren schon an ihrem zweiten Geburtstag Risikofaktoren wie Armut, Streit und Trennung der Eltern ausgesetzt. Jeder hätte bei diesen Faktoren Entwicklungs- und Verhaltensstörungen erwartet. Die Ergebnisse der Studie waren bahnbrechend: Zwei Drittel der Kinder entwickelten tatsächlich schwere Lern- und Verhaltensstörungen, wurden im Jugendalter straffällig oder hatten psychische Probleme. 30 Prozent der Kinder wuchsen jedoch zu gesunden Erwachsenen heran, die gut mit ihrem Leben und ihren Partnern zurechtkamen. Alle hatten trotz großer wirtschaftlicher Probleme ihres Landes Arbeit und waren nicht straffällig geworden. In den geführten Interviews sprachen sie wenig über Ärger, eher über Mitgefühl für andere Menschen. Oft war ein Lieblingslehrer ihr positives Rollenmodell, die Schule ein Zufluchtsort.

 

Salutogenese: Aaron Antonovsky

Unter Resilienz versteht man die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber Entwicklungsrisiken. Resilienz bezieht sich auf die Bewältigungskompetenz. Es zeigen sich starke Parallelen zum Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky: Nicht was krank macht interessiert, sondern was Menschen gesund hält, trotz gesundheitsgefährdender Risiken.

Es findet beim Resilienzkonzept eine Umkehrung der Risikoforschung statt: Diese konzentriert sich darauf, welche Risiken im Lebensverlauf verstärkt das Entstehen psychischer Erkrankungen fördern. Als Risikofaktoren bezeichnet man: elterliche Scheidung, chronische familiäre Disharmonie, elterliche Psychopathologie wie Alkoholismus, Depression etc. Über die Beobachtung großer Unterschiede im Umgang von Kindern mit Risikofaktoren, erkannte man, dass es Kinder gibt die hier mit Verhaltensauffälligkeiten reagierten und andere die unter diesen schweren Lebensbedingungen stark werden und seelisch wachsen. Es zeigt sich, dass einige Kinder als Produkt erfolgreicher Bewältigung widriger Umstände erstaunliche Fähigkeiten besitzen, mit negativen Einflüssen umzugehen. Zum Beispiel weisen 90% der Kinder mit einem kranken (schizophrenen Elternteil) entgegen der früheren Erwartung keine psychische Störung auf.

Psychische Widerstandsfähigkeit

Lange Zeit wurde das Phänomen der psychischen Widerstandfähigkeit von der Forschung ausgeblendet. Es bestand die Tendenz sich hoffnungslos auf die Probleme der Menschen zu konzentrieren, sowie auf alles was falsch laufen kann. In der Literatur wurden resiliente Kinder lange als unverwundbar und extrem stark dargestellt. Sogenannte Wunderkinder. Niemand machte sich die Mühe die Bedingungen und Faktoren für die Entwicklung von Widerstandsfaktoren genauer anzuschauen. Bei der Erforschung von Lebensläufen dieser Kinder, kam man zu dem Schluss, das Resilienz ein dynamischer Entwicklungs- -und Anpassungsprozeß ist. Sie ist somit kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine Kompetenz die im Laufe eines Kinder – bzw. Jugendlichenlebens erworben wird. Die Interaktion (Wechselwirkung) Kind-Umwelt kann resilient machen. Aus heutiger Sicht ist die aktive Rolle des Individuums im Resilienzprozess entscheidend, d.h. die Art und Weise wie der Mensch mit Stress und Risikofaktoren umgeht. Resilienz ist somit eine variable Größe. Menschen müssen nicht immer gleich resilient sein. Es kann sein, das ein Kind resilientes Verhalten zeigt, als Jugendlicher hingegen eine erhöhte Verletzlichkeit aufweist. Dies spielt vor allem bei den Entwicklungsübergängen eine Rolle: z.B. der Übergang vom Kindergarten in die Schule. Resilienz meint deshalb eine elastische Widerstandsfähigkeit, immer an die situativen Faktoren angepasst. Somit erwirbt man Resilienz nicht einmal und hat sie. Sie muß durch Umgebungsbedingungen unterstützt werden. Resilienz ist situationsspezifisch und multidimensional. Resilienz in einem Lebensbereich, kann nicht unbedingt auf alle anderen Lebensbereiche übertragen werden. So können z.B. Kinder die chronischen elterlichen Konflikten ausgesetzt sind, in Bezug auf schulische Leistung resilient sein, aber nicht unbedingt in Bezug auf die Entwicklung sozialer Kontakte und Beziehungen. Deshalb spricht man von einer situations- und lebensbereichspezifischen Resilienz. Der Fokus liegt auf erfolgreicher Bewältigung, auf Kompetenzen und Stärken.

Schwere Lebensereignisse bieten die Chance einer neuen Lebensgestaltung und persönlichen Weiterentwicklung. Keine Defizitorientierung. Der Schwerpunkt liegt auf Fähigkeiten, Potentialen und Ressourcen eines Menschen, ohne vorhandene Probleme zu ignorieren oder zu unterschätzen. Von Interesse ist wie mit Stress und Stressbewältigung umgegangen wird, und wie Bewältigungskapazitäten aufgebaut bzw. gefördert werden. Man fragt also: Was stärkt den Mensch? Ein reparaturorientiertes Förderverständnis wird vermieden. Stattdessen kommt es zur Suche nach Selbstkorrekturkräften.

Ein weiterer Fokus wird auf die Eigenaktivität gerichtet: Der Mensch wird als aktiver Bewältiger und Mitgestalter seines Lebens gesehen, durch effektiven Gebrauch sogenannter interner und externer Ressourcen. Menschen werden nicht als passives Prägeprodukt äußerer Einflüsse verstanden.

Bewältigungsstrategien

Wichtig: Kinder können sich nicht selbst dauerhaft resilient machen, sondern brauchen maßgeblich Unterstützung und Hilfe von außen. Kinder sind auf stützende Systeme angewiesen (mehr als Erwachsene) und haben weniger Erfahrung mit Stressoren, sie können ihre Ressourcen nur vage einschätzen. Manche Bewältigungsstrategien, die Erwachsene praktizieren, sind für Kinder mit Sanktionen verbunden. ( eine Situation verlassen, z.B. in der Schule; die Leistung verweigern z.B. über Krankmeldung etc.) Deshalb ist es wichtig Kinder schon früh an aktive und konstruktive Formen der Stressbewältigung heranzuführen. Damit wirkt man der sogenannten generalisierten Selbstzuschreibung von Inkompetenz entgegen.

Ein Beispiel: Die sogenannte erlernte Hilflosigkeit: Die wiederholte Erfahrung unkontrollierbaren Ereignissen hilflos ausgeliefert zu sein. Hierdurch entsteht die Neigung, dies auch auf andere Lebensbereiche oder Aufgaben zu übertragen. Anforderungen die vorher erfolgreich bewältigt wurden, werden dann als unüberwindbare Belastung empfunden. Macht ein Mensch immer wieder die Erfahrung, dass er keine Veränderungen bewirken kann, dass seine Handlungen nicht die gewünschten Effekte erzielen, dass er Ereignisse nicht kontrollieren kann, dann entsteht das Gefühl von Hilflosigkeit. Menschen erleben dann kontrollierbare Ereignisse als unkontrollierbar. Deshalb gehört zur Förderung wichtiger Resilienzfaktoren, die Entwicklung von Problemlösefähigkeit, die Förderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung und die positive Selbsteinschätzung. Außerdem die Stärkung der Motivation zur Bewältigung von Herausforderungen.

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Foto: istockphoto/Pesky Monkey

8 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. danke für die tolle rezension. ein buch, das die zeit braucht.
    ich denke, dass nicht nur kinder „stützsysteme“ und hilfe bei der umsetzung solcher konzepte brauchen.
    ein buch ist für erwachsene sicher ein guter ratgeber, aber in der sozialen interaktion etwas gemeinsam zu machen, macht einfach mehr spass und hält die motivation leichter aufrecht.
    resilienz sozial – sozusagen 😉

    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar!
      Sie haben Recht, ein Buch ist ein Anfang. Üben kann man resilientes Verhalten im „normalen“ Leben aber auch in Seminaren. Dann profitiert man von der kollektiven Intelligenz der Gruppe.
      Herzliche Grüße
      Margit Nowotny

  2. Bestimmt kennen Sie die Aufsätze von Stephen Porges zur Polyvagal Theorie. Er zitiert in seinen Vorträgen manchmal die Experimente von Carl Richter (1957, 1958). Abgekürzt + stark vereinfacht: Tiere, die „Hoffnung“ hatten, kämpften und überlebten in lebenbedrohlichen Situationen länger als Tiere „ohne Hoffnung“. Ich denke, das lässt sich auch auf Menschen übertragen: wichtig ist unsere eigene Wahrnehmung + Interpretation einer stressbelasteten Situation und unserer eigenen Fähigkeiten. Wenn wir dies wissen, können wir trainieren, unsere Aufmerksamkeit besonders in solchen Situation gezielt zu lenken. Dazu gibt es vielerlei Methoden, mit und ohne Coach.

    1. Liebe/r Evkarin,

      Vielen Dank für den Hinweis auf die Polyvagal Theorie die ich bisher nicht kannte! Ich teile Ihre Auffassung sowohl in Bezug auf die Subjektivität von stressauslösenden Situationen und ganz besonders im Hinblick auf „Das Prinzip Hoffnung“. Wenn es gelingt in Menschen den Hoffnungsfunken wieder „anzuzünden“ dann ist schon sehr viel geschafft. Mir fällt in diesem Zusammenhang Milton Erickson ein. In „Hoffnung und Resilienz“ von Dan Short und Claudia Weinspach werden die therapeutischen Strategien von Erickson vor allem unter dem Aspekt des Hoffnung Erzeugens beleuchtet. Gerne würde ich Ihnen als Dankeschön für Ihren Kommentar ein Zitat aus diesem Werk schicken:

      „Hoffnung hilft dabei, sich mit einem zunehmend guten Gefühl in der Gegenwart auf den Weg in eine noch bessere Zukunft zu machen. Die Hoffnung ist vergleichbar mit dem ersten staunenden Gefühl der Verliebtheit, die eine Erfüllung verspricht, die es im bisherigen Leben noch nicht gegeben hat. Dennoch enthält sie keineswegs den manchmal negativ wahrgenommenen Beigeschmack des „Sich-etwas-schön-Redens“ oder der rosarot gefärbten Brille. Sie ähnelt vielmehr dem vorgestellten ersten Lichtstrahl des Sonnenaufgangs, der jeder noch so dunklen Nacht garantiert folgen wird.“ (aus: Hoffnung und Resilienz, Dan Short und Claudia Weinspach)

  3. Ganz großer Blogpost. Danke für die Super Arbeit. Ich schreibe gerade an einer Ausschreibung für eine themenbezogene Supervision, welche ein Träger in Berlin probeweise durchführen möchte, um speziell wieder Mitarbeiter zur Supervision hin zu führen, welche schon lange nicht mehr teilgenommen haben.
    Der Artikel ist sehr gut und hilfreich für meine Thesen zu Hilflosigkeit in sozialer Arbeit.

    beste Grüße,
    H.-C. Simon

    1. Hallo Herr Simon,
      Danke für das dicke Lob! Das beflügelt natürlich und ich freu mich, wenn meine Artikel etwas in Bewegung bringen. Vielleicht wäre das Thema Hilflosigkeit in der sozialen Arbeit einen eigenen Blogpost wert. In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Ausschreibung!
      Herzlichst
      Margit Nowotny

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