Führung

Kann man Führung lernen?

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Zu Beginn meiner beruflichen Karriere wurde ich von meinem Chef gefragt, ob ich glaube, dass man Führung lernen könne. Ich habe ihm damals als frisch gebackene Psychologin geantwortet: Öhhhh….also entweder man kann es oder man kann es nicht, vielleicht kann man es ein bisschen lernen. Das schien meinen damaligen Chef zu freuen. Offenbar hatte ich, ohne dies zu wissen, eine seiner Grundüberzeugungen getroffen.

Heute nun, viele Jahre nach diesem Gespräch, stelle ich mir diese Frage selbst immer wieder. Ehrlich gesagt habe ich noch keine abschließende Antwort. Ich habe mittlerweile viele Führungskräfte erlebt, habe selbst geführt und bin  in der Lage einen klaren Standpunkt zu beziehen, welche Form der Führung ich präferiere. Ich habe auch gemerkt, dass alle Theorie grau ist, vieles ganz einfach klingt, Menschen aber immer irgendwie anders sind, als es die Theorie gern hätte.

Führung wird definiert als zielbezogene Einflussnahme. Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich aus den Zielen des Unternehmens herleiten, zu erreichen. Natürlich wird in Unternehmen auch durch Strukturen geführt, z.B. Organigramme, Stellenbeschreibungen, Verfahrensvorschriften. In Großorganisationen oder Bürokratien greift die Führung dann ein, wenn im zentral geordneten und vorgeplanten Ablauf Störungen entstehen.

Manchmal kann man nicht sagen, von wem der größere Einfluss ausgeht: Von der Struktur oder von den Führenden. Sicher ist jedoch, dass egal in welcher Struktur, der Stil des Führenden den entscheidenden Unterschied macht.

Deshalb glaube ich, dass man Führende für ihren Stil sensibilisieren sollte. Auch für die Freiheitsgrade, die sie gelegentlich vor lauter Struktur nicht mehr wahrnehmen oder für den persönlichen Standpunkt, den sie haben sollten, bei wenig strukturierten Organisationen und der ihnen erlaubt nicht jede Managementmode mitzumachen.

Aus meiner derzeitigen Sicht gehört zu Führung die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, Empathie. Fehlt diese, hat das verheerende Auswirkungen für die Geführten, meist aber auch für den der führt. Gehe ich zurück zur Definition von Führung als zielbezogene Einflussnahme dann frage ich mich, wann Menschen am ehesten bereit sind, sich beeinflussen zu lassen. Das tun sie meist dann, wenn sie in dem was von ihnen verlangt wird Sinn sehen, wenn sie sich ernst und wahrgenommen fühlen und wenn sie denjenigen von dem der Einfluss ausgeht, achten. Eine Zeitlang funktioniert Führung sicher auch durch Druck und den Aufbau von Angst. Mittel -und langfristig flüchten die Geführten in Krankheit, Lethargie und mangelndes Engagement, was dann wiederum die Führung sehr viel Energie kostet gezielt Einfluss nehmen zu können. Nun könnte man meinen dass dies Binsenweisheiten sind. Nach meiner Erfahrung gelingt es vielen Führenden nicht, systemische Effekte des eigenen Verhaltens zu erkennen.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Zur Frage wie sich die beraterische Kompetenz von Mitarbeitern eines Unternehmens erhöhen lässt, beauftragt die Geschäftsleitung einer größeren Organisation einen Berater. Dieser soll den Mitarbeitern eben diese Kompetenz vermitteln. Auf den ersten Blick keine große Aufgabe, ein Training könnte da sicher helfen. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass die Geschäftsleitung sehr oft eigene Vorgaben in Frage stellt und in für die Mitarbeiter schwer nachvollziehbarer Weise sehr häufig, neue, diametral entgegengesetzte Vorgaben, im raschen Wechsel macht. Dass Mitarbeiter ihre Aussagen zu bestimmten Produkten, Rabatten, Sonderwünschen und Angeboten gegenüber Kunden nicht mit derselben Geschwindigkeit ändern können, weil sie dadurch an Glaubwürdigkeit verlieren würden, entgeht der Geschäftsleitung. Diese nimmt lediglich wahr, dass die Mitarbeiter nicht mehr mit derselben Begeisterung den Kunden Produkte und Angebote offerieren, wie sie dies bisher getan haben und hofft dass der Berater dies nun in Ordnung bringt. Hier müssen jedoch aus beraterischer Sicht nicht die Mitarbeiter beraten werden, sondern die Geschäftsleitung, also die Führung.

Gelingt es, im Rahmen eines Coachings, für die Auswirkungen der eigenen Führung zu sensibilisieren, dann könnte man sagen, dass ein bisschen Führung gelernt wurde.

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  1. gute Aussage und gutesBeispiel.
    > Nach meiner Erfahrung gelingt es vielen Führenden nicht,
    > systemische Effekte
    aufgrund von Diskrepanzen
    > des eigenen Verhaltens
    und dessen der eigenen Organisation
    > zu erkennen.
    ich nenn das: INSTITUTIONELLE SCHIZOPHRENIE

  2. Ich glaube schon, dass man Führung lernen kann – und muss.

    Es geht nicht um Fakten oder BWL sondern um Entwicklung der Persönlichkeit = Bildung.

    Für uns als Hochschule spannend: wie kann man Führung lehren – oder besser das „Führung lernen“ gezielt unterstützen?

    1. Hallo Herr Holzbauer,
      am Anfang steht die Selbstwahrnehmung: Welche Studenten haben den Eindruck, dass Sie führen möchten? Günstig ist es Selbst -und Fremdwahrnehmung zu ergänzen. Dazu gibt es geeignete Verfahren, die den interessierten Studenten rückmelden, ob sie eine Stärke, man könnte es auch Talent für Führung nennen, aufzeigen. Nach meiner Erfahrung fällt es den meisten Menschen schwer, eigene Potenziale zu erkennen. Zeigt sich, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung ähnlich sind, könnte sehr konkret die Übernahme von Verantwortung angeregt werden. Auch die Reflektion biografischer Ereignisse, wie z.B. frühes selbstbestimmtes Engagement in Gruppen, Klassensprecher-oder Schulsprecherrollen, politisches Engagement, würde die Selbstwahrnehmung stärken. Was die Bildug angeht wäre die Vermittlung von Organisationsstrukturen und deren Einfluss auf Führung, die Sensibilisierung für mikropolitische Prozesse sowie der Umgang mit der entgrenzten Arbeitswelt und daraus resultierneden Belastungen, sicher sinnvoll und gut zu lehren. Für mich ist am wichtigsten, dass sich zukünftige Führungskräfte trauen, sich selbst wahrzunehmen. Das ist eine Qualität die momentan weder im Studium noch im Beruf gefördert wird. In der Hoffnung Ihnen damit ein paar Anhaltspunkte gegeben zu haben,
      herzlichst Margit Nowotny

      1. Hallo Frau Nowottny,
        das wichtigste ist wohl, dass die Studenten sich trauen, Verantwortung zu übernehmen. Wir beginnen ja schon im ersten Semester mit Planspielen und Projekten, und da merkt man schnell, wo die Stärken und Schwächen sind.

  3. Hallo Frau Nowotny, hallo Herr Holzbaur,
    ich möchte Ihren Ausführungen weitgehend zustimmen. Der Erfolg eines Unternehmens wird entscheidend beeinflusst von dem hoch empfindlichen Zusammenspiel von vorgegebenen Organisations-, Mitarbeiter- und Führungstrukturen.

    Je genauer eine Leitungskraft seine individuellen Stärken und Schwächen, seine Möglichkeiten und Grenzen einschätzen kann, um so erfolgreicher kann sie auch agieren.
    Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und ein angemessenes Maß an Transparenz sind m.E. dabei u.a. Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Führen. Im Alltag können diese Faktoren schnell verwischen. Bei Problemen im Organisationsablauf ist die Reflexion des individuellen Denkens und Handelns des Führenden mit Hilfe eines außenstehenden Coaches eine Möglichkeit, um sich schnell und effizient einen Überblick über die eigene Rolle in der jeweiligen Problematik zu verschaffen und gegebenenfalls Lösungsstrategien zu entwickeln.
    Von daher finde ich es großartig, Herr Holzbaur, dass Praktika und Planspiele Teil Ihrer Studienplänen sind. Wie gehen Sie mit den Erkenntnissen bezüglich der Führungsfähigkeiten des Einzelnen um? Bekommen die Einzelnen diesbezüglich individuelle Rückmeldungen und evtl. sogar die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Führungsstilen zu `spielen´?

    Herzliche Grüße !

    Heike Mehmke
    Diplom-Psychologin
    Coach und Supervisorin in eigener Praxis in Göttingen

  4. Hallo Frau Mehmke,
    vielen Dank für die positive Rückmeldung.
    In den Planspielen und Projekten (Wir haben auch extra Lehrveranstaltungen Personal- und Unternehmensführung) erfolgt die Rückmeldung bezüglich der getroffenen Entscheidungen und der Kommunikation im Projekt (da ist die Führung ein Aspekt) vor allem über die Studierenden untereinander und die Selbstreflexion, seltener durch die Evaluierung durch Dozenten und Assistenten (bei Problemen können und müssen wir als Coach agieren, aber die 90% erfolgreichen Projekte bzw. Planspielgruppen sind mir lieber).

    Herzlichen Gruß
    Ulrich Holzbaur

  5. Hallo Herr Holzbaur,

    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Ich stimme Ihnen zu, gut laufende Projekte und Planspiele sprechen für sich und sind ja offensichtlich von Ihnen und Ihren Mitarbeitern gut vorbereitet und begleitet. Interventionen sollten m.E. nach der Devise eingesetzt werden: `so viel wie nötig und so wenig wie möglich´.

    Herbstliche Grüße!
    Heike Mehmke

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