Führung Potenzialentwicklung Psychologie für den Job Stressmanagement

Coachingresistente Führungskräfte

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In meinem nun schon 17 Jahre währenden Berufsleben als Psychologin bin ich mehr schlechten als guten Chefs begegnet. Schade eigentlich. Was ich dabei gelernt habe: Schlechte Vorgesetzte sind meist coachingresistent, können jedoch zum Motor für die eigene Persönlichkeitsentwicklung werden.

Auch wenn dieser Prozess oft schmerzhaft ist und dem Einzelnen einiges abverlangt, er bringt die Betroffenen weiter.

Vielleicht habe ich auch deshalb aufgehört Menschen aufzufordern mit ihren Vorgesetzten ins Gespräch zu gehen. Diesen Projekten wohnt eine gewisse Vergeblichkeit inne. Meist sind schlechte Vorgesetzte kaum in der Lage mit Kritik umzugehen. Günstiger wird es mit Betroffenen immer wieder den Vorteil eines schwierigen Chefs anzuschauen. Was haben Sie gelernt, was sie nicht gelernt hätten, wenn sie diesen Chef nicht hätten? Was haben sie gemacht, um diesen Vorgesetzten zu überleben? Was zeichnet sie aus, weil sie diesen Chef ausgehalten haben? Was hat ihnen geholfen zu gehen und sich nicht länger destruktiver Führung auszusetzen? Was brauchen Sie, um den Vorgesetzen nicht mehr ernst zu nehmen? Man könnte auch sagen, es geht darum aus der Not eine Tugend zu machen.

Für die meisten Menschen ist es wichtig wieder handlungsfähig zu werden und nicht in die gelernte Hilflosigkeit abzudriften. Für betroffene Vorgesetzte ist es häufig erst nach längerer Zeit ersichtlich, dass sie sich engagierter Mitarbeiter meist selbst berauben. Wer sich nicht wahrgenommen und respektiert fühlt, zeigt nur geringe Bereitschaft für den Erfolg des eigenen Vorgesetzten tätig zu werden. Wozu jemand erfolgreich machen, der das Engagement seiner Leute nicht sieht?

Besonders junge, unerfahrene Führungskräfte haben oft kein Gespür für den Umgang mit erfahrenen Arbeitsteams. Es ist sicher auch dem jugendlichen Enthusiasmus zuzuschreiben, dass sie in ihrem Führungsverhalten über die Stränge schlagen und meinen Organisationen und Menschen ließen sich rasch verändern. Hier wäre manchmal Demut gefordert. Demut in Bezug auf die Erfahrung von Mitarbeitern und auf Expertenwissen, dass sie sich noch erarbeiten müssen. Es ist dann meist mühsam zu warten, bis sie die erforderliche Reife entwickeln. Oft wissen sie Mitarbeiter anzutreiben, nicht jedoch sie zu motivieren.

Da die wenigsten Mitarbeiter in Unternehmen wagen ihre Vorgesetzten zu kritisieren, erhalten viele Führungskräfte keine angemessene Rückmeldung zu ihrem Verhalten. Das ist fatal. Es führt dazu, dass sich gerade die weniger Erfolgreichen in Sicherheit wähnen und davon ausgehen, dass sie einen guten Job machen. Meist wird auch die die eigene Positionsmacht dazu genutzt sich vor Kritik zu schützen. So wird es gerade für die wenig sensiblen Vorgesetzten immer schwieriger nicht auf einen Höhenflug zu gehen.

Im Coaching finden sich weit häufiger Menschen die mit den Folgen schlechter Führung kämpfen. Führungskräfte vertreten häufig die Auffassung, dass ein Coaching nützlich ist, nur nicht für sie selbst. Man könnte, um es mit den Worten von Louis Lewitan zu sagen, auch von coachingresistenten Führungskräften sprechen. Hier handelt es sich meist um Vorgesetzte die einem Prozess der Selbstreflexion und Weiterentwicklung aus dem Weg gehen.

„Sie sehen aufgrund ihrer im Laufe der Karriere perfektionierten Abwehrmechanismen – wie Verdrängung, Verleugnung und Selbstidealisierung – keine Notwendigkeit, ihr Denken und Fühlen und ihr Führungsverhalten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Hinzu kommt die Unwilligkeit, Führungsschwächen und Gefühle wie Konfliktvermeidung, Angst und Überforderung gegenüber einem psychologisch geschulten Coach offenzulegen Grund für dieses Abwehrverhalten ist eine gravierende Selbstüberschätzung, die viele geschickt zu verbergen wissen. Es fällt ihnen leicht ihre Selbsterhöhung zu zementieren, indem sie Untergebenen Führungsdefizite bescheinigen. Coachingresistente Führungskräfte berufen sich lieber auf ihre Stärken und blenden ihre Schwachstellen aus. Ihnen ist es wichtiger, den Anschein von Perfektion und Erfolg auszustrahlen und nach außen Stärke und Macht zu demonstrieren, als an ihren Defiziten zu arbeiten.“ (Louis Lewitan, in „Coaching ist nützlich: Nur nicht für mich“, Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2014)

Es erscheint deshalb sinnvoller von schlechter Führung betroffene Mitarbeiter zu stärken, als sich an coachingresistenten Führungskräften abzuarbeiten.

Wie immer freue ich mich, wenn Sie den Artikel in ihrem bevorzugten sozialen Netzwerk teilen. Er hilft vielleicht Betroffenen und erhöht bei mir das Gefühl der Selbstwirksamkeit 😉

 

6 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Liebe Frau Nowotny,

    „Was haben Sie gelernt, was sie nicht gelernt hätten, wenn sie diesen Chef nicht hätten?“
    – das ist eine wunderbare Frage, die bei der Selbstwirksamkeit ansetzt. Merke ich mir!
    Ich freue mich auf weitere Beiträge von Ihnen.

    Herzliche Grüße
    Christine Paulus

  2. Ich finde, dass jeder, der zu einer Führungskraft wird, erstmal ein Coaching absolvieren sollte, um zu lernen, worauf es in der Position außer auf Erfolg noch ankommt. Immer wieder erlebe ich, wie sich Bewerber gut verkaufen können, im eigentlichen Job dann aber als Führungskraft das Ziel aus den Augen verlieren. So ein Coaching kann im Berufsleben eine wertvolle Hilfe sein.
    Coaching-resistent sind die Leute, die meinen sie würden bereits alles richtig machen und die sich nicht von anderen Leuten sagen lassen, dass sie evtl mal an sich selbst arbeiten sollten.

    1. Liebe Larah,
      in dem Buch von Walter Kromm und Gunter Frank „Unternehmensressource Gesundheit, weshalb die Folgen schlechter Führung kein Arzt heilen kann“ schreiben die Autoren dass Führungskräfte eigentlich einen „Füherschein“ brauchen. Das fehlt in den meisten Unternehmen: Eine solide Ausbildung zur Führungskraft.
      Vielleicht braucht es einfach noch ein paar Jahre bis Unternehmen auch den monetären Wert guter Führung einschätzen können.
      Danke für Deinen Kommentar!
      Herzlichst
      Margit Nowotny

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