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Weihnachten suboptimal

Fotolia © Kirsty Pargeter
Fotolia © Kirsty Pargeter

Und? Ist es schon da? Das Gefühl? Sie wissen schon, das Weihnachtsgefühl. Nein? Es ist eben auch nicht richtig, dass es im Dezember, einen Tag vor Winteranfang, keinen Schnee gibt. Und es ist auch weniger spaßig im Regen auf dem Weihnachtsmarkt zu stehen, den fast zu heißen Glühwein zu trinken. Da kann man doch keine Weihnachtsgefühle entwickeln. Und überhaupt: Damals, als wir noch klein waren, war es doch wirklich viel besser. Wir haben uns auf die Geschenke gefreut, haben amüsiert den obligatorischen Heilig-Abend-Ablauf familienintern beobachtet, ich habe schon damals gedacht, man müsste alles aufzeichnen, wie so ein Heiliger Abend abläuft, weil es ja irgendwie auch dramatisch witzig war. Um 4 Uhr ins Bad, alle ziehen schöne Kleider an, dann das Essen, nicht jedes Jahr das Gleiche, aber fast…ich persönlich fand das Kaninchen immer super, oder wie man in Schwaben sagt, den Hasen. Er kam meist aus dem Stall meines Opas, ich habe sogar mal zugeschaut wie er geschlachtet wurde. Dann die Geschenke und am allerbesten das Spielen mit den Geschenken.

Tja und nun? Bis Freitag gearbeitet, gefühlt nicht ganz fertig geworden, Geschenke gekauft, auch online und die AGBs von DHL nicht gründlich gelesen. Jetzt liegen zwei Weihnachtsgeschenke in der Packstation. Ich kann sie aber nicht abholen, weil ich immer noch nicht die Kundenkarte habe, die ich zum Abholen brauche. Seit 4 Tagen bekomme ich jeden Tag eine Mail, dass ich die Pakete holen soll. Selbst Schuld. Ich hätte sie ja auch vor Ort kaufen können. Meinen Sie! Hätte ich nicht. The Next-Generation, mein Sohn, die Enkel suchen sich ihre Geschenke auf dem iPad aus. Sie wollen genau das, was sie sich aussuchen. Das gibt es aber nicht in unserer kleinen Stadt auf der Ostalb.

Und jetzt wird es philosophisch. Ich habe DHL eine Mail geschrieben. Prophylaktisch steht auf der Seite, dass es ziemlich lange dauern kann, bis Ursachen für entstandene Probleme gefunden sind…deshalb habe ich auch noch keine Antwort ob die Päckchen eventuell bis Weihnachten bei mir sind.

Ich suche nach einer Telefonnummer, finde tatsächlich eine, rufe an, frage was zu tun ist und ein ausgesprochen freundlicher Servicemitarbeiter (wirklich!) verspricht mir, dass ich auch mit der Kundenkarte meines Mannes an die Päckchen komme. Er spricht mit meinem Mann, sagt, dass er ihn als Vertreter einträgt, so dass ich mit seiner Kundenkarte und meiner Pin an die Geschenke komme.

Also nochmal zur Packstation: Seine Kundenkarte, meine Pin. Zweimal eingegeben, dann die Meldung: Sie haben die Pin dreimal (!) falsch eingegeben, ihre Karte ist gesperrt. Ist ja nicht meine Karte, sondern die meines Mannes und er kann jetzt auch keine Päckchen mehr abholen…und ich habe sie wirklich nur zweimal richtig eingegeben.

Selbstwirksamkeit?

Aus meinen früheren Blogbeiträgen wissen Sie noch, dass Selbstwirksamkeit eine wichtige Kompetenz ist. Die wurde jetzt durch das nicht lesen der AGBs von DHL gründlich verhindert. Denn ich erlebe mich in diesem Prozess zutiefst hilflos. Wer weiß wann irgendjemand die Mail die ich abgeschickt habe liest. Was kann der freundliche Herr von der Hotline jetzt noch bewirken?

Jetzt ist das gesamte psychologische Know-How gefragt. Kognitives Umstrukturieren. Was wenn die Enkeltochter weint, weil eines der Geschenke fehlt? Was wenn der Sohn sich ungeliebt fühlt, weil auch er nicht das optimale Geschenk bekommt? Wir wissen noch nicht wie der Heilige Abend wird aber er wird vermutlich suboptimal. Ich habe beschlossen, dass das nichts macht. Weil eigentlich das ganze Leben suboptimal ist. Wenn ich nun zum ersten Mal in meinem Leben einen Sauerbraten mache, noch nicht weiß ob er gelingt, dann ist das ein weiterer Risikofaktor für den Heiligen Abend. Ich mach es trotzdem. Und ich freu mich schon so richtig auf alle die kommen. Weil ich allen eines voraus habe: ich weiß dass es suboptimal wird und genau deshalb wird es gut.

Ziemlich schlau finde ich das und deshalb geht mein Dank in diesem Jahr an DHL. Das Unternehmen steht stellvertretend für alle mittlerweile doch hochgradig komplexen Systeme, voll optimiert, leistungsstark und doch so störanfällig, weil die Kunden so oft nicht die AGBs zu Ende lesen. Ich finde wir alle können dank dieser Systeme und Organisationen immer wieder lernen, dass Weihnachten auch wenn es suboptimal wird, irgendwie gut ist.

Außerdem geht mein Dank an alle Menschen die in hochkomplexen, kennzahlorientierten Systemen arbeiten und nicht die Nerven verlieren. Als ich dem Mann an der Hotline schöne Feiertage gewünscht habe, war deutlich zu spüren, dass er noch einiges vor sich hat, bevor es froh wird. Vielleicht hilft es ihm und Ihnen, wenn Sie sich erlauben schon mal gezielt von suboptimalen Weihnachten auszugehen, weil sie damit die Wahrscheinlichkeit auf ein wirklich schönes und entspanntes Fest deutlich erhöhen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein frohes Fest! Und Sie werden sehen, das mit dem Gefühl geht dann auch viel leichter.

Richtig optimal finde ich es, wenn Sie den Artikel in ihrem bevorzugten Netzwerk teilen. Sie helfen mir dabei meine Selbstwirksamkeit wieder zu erhöhen und vielleicht helfen Sie auch Freunden und Bekannten suboptimale Weihnachtsgefühle zu entwickeln.

Denkbar ist natürlich, dass Sie immer noch optimale Weihnachten wollen. Ich empfehle dann:

Optimiert Weihnachten

Optimiert Weihnachten – Eine Anleitung zur Besinnlichkeitsmaximierung

von Bernd Stauss

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Wie haben das die Leute früher gemacht, als es die digitale Welt und die Packstationen noch nicht gab? Hatten sie da mehr Zeit, um von Geschäft zu Geschäft zu tingeln und die Geschenke zu kaufen? Schwer vorstellbar.

    Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, weil auch ich nie Zuhause bin, wenn der Postmann klingelt und der arme Kerl dann immer die Nachbarn belästigen muss, um meine Sendungen in Empfang zu nehmen. Auch suboptimal, aber gut. Mein Dank gilt dieses Jahr den netten Nachbarn, die diese Woche fast jeden Tag für mich ein Paket angenommen haben. Ihr habt meinen Nichten und Neffen das Weihnachtsfest gerettet! Schöne Festtage für alle.

    1. Liebe Larah,
      ja, Du hast Recht: Es ist fast nicht mehr vorstellbar wie es früher vor Weihnachten war. Der Online-Handel scheint sich durchzusetzen, ich finde man merkt es auch an den nicht ganz so langen Schlangen an den Kassen in den Läden.
      Dir wünsche ich ein wunderbares Weihnachtsfest! Ich freue mich immer sehr über Deine Kommentare.
      Herzlichst
      Margit Nowotny

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