Führungskräfte haben es nicht leicht. Komplexe Strukturen, eigensinnige Mitarbeiter, harte Vorgaben zur Zielerreichung, karriereschädigende Zugeständnisse, um wenigstens noch einen Hauch an persönlicher Integrität zu wahren…was liegt da näher als Abläufe streng rational anzugehen und eine Strategie zu entwickeln, um den Anforderungen gerecht zu werden. Nach dem Motto: Ich mach mal einen Plan. Aber es klappt nicht. Die Ziele werden irgendwie erreicht, der Krankenstand bei den Mitarbeitern ist hoch, die Arbeitszufriedenheit niedrig und auch die Lektüre der zahlreichen Managementratgeber nützt nichts.
Man könnte nun versuchen das zu tun was erfolgreiche Führungskräfte machen. Aber wie? Also noch eine Biographie, noch ein Gespräch mit anderen vermeintlich erfolgreichen Kollegen?
Wie wäre es mit „Durchwursteln“?
In einem Interview aus dem Jahr 2006 in der Zeitschrift „brandeins“ mit dem Bamberger Kognitionspsychologen Dietrich Dörner stieß ich zum ersten Mal auf dieses Prinzip. Nun widmet die aktuelle Psychologie HEUTE diesem Aspekt das Titelthema: „Sich durchwursteln: Die Kunst der Improvisation“
Als ich im Jahr 1994 die erste Prüfung im Vordiplom bei Dietrich Dörner wegen allzu großer Komplexitätsreduktion nicht bestand, habe ich nur einen Augenblick überlegt ob ich mein Studium abbreche. Ich hatte viel zu tun damals. Arbeiten, studieren, Kind- da wäre ich sicher dankbar gewesen wenn mir jemand etwas zum Thema „strategische Karriereplanung“ erzählt hätte, mir sozusagen einen Plan entworfen hätte wie man optimiert mit den Anforderungen doch recht komplexer Lebensverhältnisse umgeht. Offensichtlich gelang es mir, obwohl mir das damals so nicht klar war, mit der Technik des Durchwurstelns deutlich besser beim zweiten Anlauf die Prüfung zu bestehen und mein Diplom im Fach Psychologie zu bekommen. Ich habe Dietrich Dörner als Professor übrigens sehr geschätzt. Wahrscheinlich wäre ich auch enttäuscht gewesen, wenn er sich durch meine mangelnde Prüfungsvorbereitung hinters Licht hätte führen lassen.
Später, als Führungskraft, war ich immer wieder fasziniert von den unzähligen Versuchen in Organisationen, strategisch Unternehmensabläufe zu planen. Der Verdacht, dass die sich drehende Welt und die Planung nie so richtig zusammenpassen hat sich nicht nur einmal bestätigt. Und auch wenn ich den Wunsch vieler Führungskräfte nach Rezepten zum Thema gute Führung mehr als verstehe: Es gibt keine.
Was sich jedoch lohnt: Der eigenen Intuition vertrauen zu lernen und mit hoher Fehlertoleranz kleine Schritte in Richtung Zielerreichung zu marschieren. Dörner würde sagen: „Improvisiertes Handeln – aus der Situation heraus- ist jeder Vorlage meist bei weitem überlegen. Dabei muss man die Nebenwirkungen im Auge haben, aber die werden klarer wenn man situationsbezogen handelt, übersichtlicher, wenn Sie so wollen. Sie sind nicht mehr so abstrakt, so schemenhaft. Die Maxime nennt man: Nutze die Gelegenheit…“ (brandeins 1/2006)
Dieses Vorgehen sollte jedoch laut Dörner nicht mit Sprunghaftigkeit und Gleichmacherei verwechselt werden. Menschen sind nicht gleich und nicht alle können zu Komplexitätsmanagern werden. Manche Mitarbeiter leiden auch unter der Sprunghaftigkeit so mancher Führungskraft und brauchen klare Richtlinien für ihre Arbeit. Und da fängt es dann auch wieder an schwierig zu werden, weil auch Durchwursteln kein „Dauerrezept“ für alle Situationen ist. Es ist eine Möglichkeit mit den Anforderungen in Unternehmen klarzukommen. Und wenn Sie sich erlauben gelegentlich Phasen des Durchwurstelns zuzulassen, nicht den Anspruch haben immer alles ganz rational und geplant anzugehen, dann wäre schon viel gewonnen.
Durchwursteln ist übrigens erfolgreicher als angenommen. In einer Welt in der jedem einzelnen täglich zahlreiche Entscheidungen abgerungen werden wird es immer wichtiger sich zu informieren und dann aber eine Entscheidung zu treffen. Endlose Analysen und Überlegungen führen nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen. Und das klappt nur wenn man die eigene Fehlbarkeit im Auge behält und die Kosten einer falschen Entscheidung im Rahmen sind.
Mein Lieblingskollege Günter Bamberger hat das Durchwursteln als neuen Trend in der Psychologie bezeichnet. Ihm verdanken Sie diesen Artikel! Er hat mich auf den Titel in der neuen Psychologie HEUTE aufmerksam gemacht. Sie finden Ihn unter diesem Link:
Das Interview mit Dietrich Dörner gibt es hier zum Nachlesen.
Ich wünsche Ihnen gute Erfolge mit Experimenten im Durchwursteln. Ich für mich kann nur sagen: Eine durchaus erfolgreiche Methode und sie liegt mir! Weil sie entspannt und dazu beiträgt etwas lockerer und weniger kontrolliert durchs Leben zu gehen. Und das ist unterm Strich gesünder!
Wenn Sie Lust auf weitere Literatur von Dietrich Dörner haben dann ist „Die Logik des Mißlingens- Strategisches Denken in komplexen Situationen“ zu empfehlen. Der Buchtitel hört sich so gar nicht nach „Durchwursteln“ an, hat jedoch eine Menge damit zu tun.
Dietrich Dörner – Die Logik des Mißlingens
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Ach ja: Warum heißt der Artikel Bambusmanagement?Weil Bambus einerseits sehr stabil ist aber auch extrem anpassungsfähig und flexibel. Und genau so wünscht man sich doch den modernen Manager: Belastbar, reaktionsschnell, hoch flexibel…
Foto: istockphoto/Nemanja Seculic
In einem Buch über deutsche Redewendungen lese ich unter „sich durchwursteln“ folgende Erklärung: „Eine Aufgabe ohne besondere Kompetenz bewältigen; überleben; ohne Plan arbeiten“. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Kompetenz bei Fürhungskräften wirklich fehlen darf… Jeder Mensch kann bzw. muss immer mal wieder in verschiedenen Lebenslagen improvisieren, aber ohne die nötige Kompetenz kann das auch ganz schön schief gehen. Die Qualität des Durchwurstelns muss in jedem Fall stimmen, sonst wirkt alles unglaubwürdig.
Liebe Larah,
klar sollte eine Führungskraft über Fachkompetenz und interaktionale Kompetenz verfügen. Das schließt sich nicht aus wenn es um’s Durchwursteln geht. Damit ist eher eine Form der Handlungskompetenz gemeint. Schau mal hier: Muddling Through
Wenn die Kompetenz fehlt ist meiner Ansicht nach die Führungskraft fehl am Platz. Allerdings sollte auch mehr Wert auf soziale Kompetenz gelegt werden, denn diese kommt leider immer mehr zu kurz.
Das es im Leben immer wieder um Improvisation geht und der Alltag diese permanent fordert ist klar. Doch ohne die Kompetenz als Basis wird es wirklich ein unbefriedigendes Durchwurschteln
Liebe Katja,
Kompetenz und Durchwursteln schließen sich nicht aus. Ich gebe Dir jedoch Recht, es fehlt häufig an sozialer Kompetenz. Die erwirbt man bedauerlicherweise nicht im Hörsaal sondern viel stärker im Leben, in der Familie, in Beziehungen.
Liebe Grüße
Margit
Ich denke, beim „Durchwursteln“ geht es keineswegs um Inkompetenz sondern eher um die Fähigkeit, das Beste aus einer Situation zu machen. Beim Lesen fiel mir eine Situation aus der Vergangenheit ein, die aus meiner Sicht als Beispiel taugt:
Ich hatte am Wochenende eine Präsentation für eine wichtige Besprechung ausgearbeitet. Vor der Sitzung sollte eine Mitarbeiterin die Vorlage noch etwas aufhübschen. Es gab nur eine Stunde Vorlaufzeit, das war knapp aber machbar. Nachdem ich die Situation erklät hatte folgte ein hektisches Suchen und die Auskunft: „Die Diskette (ja, es ist schon eine Weile her) ist leer!“ Nachdem ich die Panik niedergekämpft und die Alternativen überlegt hatte, habe ich gesagt: „Schade, dann muß ich mir jetzt etwas einfallen lassen.“
Der Witz an der Geschichte, nachdem der Druck raus war, fand sich auch die Datei. Was ich aber wichtiger finde, ich hatte mich in der Situation zum „Durchwursteln“ entschieden und war mir sicher, dass es auch ohne den geplanten Ablauf gut gehen würde. Eigentlich ist es eine Situation, die man im Projektmanagement ständig erlebt. Entweder man passt sich an unvorhersehbare Situationen an oder man hat schnell verloren. Deshalb finde ich es wichtig, dass man das „Durchwursteln“ beziehungsweise die „Bambusstrategie“ lernt. Lernen können wir das sicher nicht im Seminar und auch nicht aus Büchern oder Blogposts aber es sind wichtige Denkanstöße.
Danke für den Denkanstoß und herzliche Grüße
Cornelie
Das ist ein tolles Beispiel! Es zeigt prima wie es gemeint ist mit dem Durchwursteln. Was vielleicht wichtig ist: Die Menschen sind verschieden. Wer eine hohe „Ambiguitätstoleranz“ (<-ein echtes Unwort) hat, tut sich leichter damit. Alle anderen brauchen ein stärker planendes Vorgehen. Ein herzliches Dankeschön für den Kommentar! Margit