Es ist fast eine Tradition, dass ich im Neuen Jahr einen Blogartikel schreibe. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Im heutigen Artikel geht es um Zuversicht. Ich bin auf der Suche nach Anzeichen, die mich und vielleicht auch Sie, zuversichtlich ins Neue Jahr blicken lassen. Dass das nicht leicht ist, brauche ich nicht zu schreiben. Mein Motto für das letzte Jahr: „Das Leben mit Freude füllen“. Ich würde sagen, da konnte ich einige persönliche Fortschritte machen, gleichzeitig ließe sich dieses Motto auch ins Neue Jahr übernehmen, was ja möglich ist. An meinem PC hängen außerdem zwei kleine Post-it’s. Auf einem steht „Lachen“ und auf dem anderen Kohärenzwiederherstellungskompetenzgefühl. Da muss ich dann schon allein deswegen lachen, weil das so ein unglaubliches Wort ist. Wenn Sie wissen wollen, was sich dahinter verbirgt empfehle ich Ihnen den verlinkten Artikel.
Aber jetzt erst einmal nacheinander. Im Sommer war ich in Slowenien im Urlaub. Ein Land in das ich nicht unbedingt reisen wollte. Lieber wäre ich nochmal nach Lettland oder Estland oder Litauen gereist. Slowenien wirkt auf den Bildern im Netz ein wenig wie Südtirol. Und Südtirol assoziiere ich mit Ruhestand, Wanderern und Beschaulichkeit. Also für mich nicht zwangsläufig spannend. Deshalb hielten sich meine Erwartungen an diesen Urlaub schon mal ganz schön in Grenzen. Wir reisen immer wieder mit denselben Freunden und die wollten eben gerne nach Slowenien. Slowenien ist normalerweise das Durchreiseland wenn man nach Kroatien fährt. Auch deshalb dachte ich, es kann nicht so toll sein, wenn da niemand bleiben will. Ich wurde jedoch eines Besseren belehrt.
Das Erste was mir auffiel: Die Slowenen haben fast alle kleine Gärtchen am Haus. Nicht groß aber so, dass ein paar Kartoffeln, Karotten und anderes Gemüse angebaut werden kann. Fand ich interessant. In der Unterkunft, in der wir waren, kamen dann an einem Nachmittag die ganzen Nachbarn zusammen, um bei der Kirschernte zu helfen. Das wirkte unaufgeregt und gemütlich.
Zufällig gerieten wir bei einem unserer Ausflüge in ein Tanzfestival bei dem Lindy Hop getanzt wurde. Die ganze Stadt war „beswingt“, der Sound ansteckend und lebensfroh.
Ein weiteres Musikfestival in Maribor mit zahlreichen Bühnen in der ganzen Stadt und Veranstaltungen im Stadtpark, mit Angeboten für Kinder und Jugendliche, und einer kleinen Szene mit einem Jediritter der die Drei- und Vierjährigen im Schwertkampf „trainierte“ führte bei mir zu dem Gefühl: In Deutschland werden die Kinder verwaltet, in Slowenien geliebt…
Auf den Spuren von Alma Karlin, einer allein reisenden Frau um die Jahrhundertwende, ein Gespräch mit einem jungen Mitarbeiter des Museums. Ich schildere ihm meinen Eindruck, dass Slowenien noch nicht so durchoptimiert wirkt wie z.B. Deutschland, dass die Menschen ein gutes Miteinander pflegen und insgesamt zufrieden wirken. Er bestätigt meinen Eindruck, meinte jedoch es fange langsam auch in Slowenien an, dass sich dies ändere…
Es war leicht mit Menschen in Kontakt zu kommen. Ich habe mit der polnischen Putzfrau mit der Unterstützung von Say Hi, der Übersetzungsapp, über die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Unterkunft gesprochen. Hier war unüberhörbar, dass die Gastarbeiter im Land schlecht bezahlt werden, die Slowenen jedoch immer weniger gern diese Jobs machen wollen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, in eine Zeit zurück zu reisen, wie sie vielleicht in Deutschland in den siebziger, achziger Jahren war.
Zurück in Deutschland nahm ich sehr krass Unterschiede im Lebensgefühl wahr. Die Menschen eher verspannt, Kontaktaufnahme auf einem Stadtfest nahezu unmöglich. Das Lebensgefühl in Deutschland im Sommer 2022 war nicht zu vergleichen mit dem Lebensgefühl der Slowenen. Ein Großteil meiner Klienten im letzten Jahr eher depressiv.
Nach einem Ausflug auf die Seite des Rheingold-Instituts und den Auswirkungen die Krisen auf Menschen haben, meinte ich eine vorläufige Erklärung gefunden zu haben. Es ist viel Angst im System. Auch eine Form der Erschöpfung. Zuerst Corona Angst, dann Kriegsangst, dann Gasmangelangst, Inflationsangst…Für gewöhnlich führt dann das Gefühl all diesen Phänomenen hilflos ausgeliefert zu sein, zu gelernter Hilflosigkeit. Wohltuend im Gegensatz dazu, die zupackenden Slowenen mit ihren Gärten und der Verbundenheit mit Nachbarn und Freunden.
Zuversicht als Lebensgefühl zu kultivieren, ist für Deutschland sicher eine Herkulesaufgabe. Im Kleinen damit zu beginnen jedoch nicht.
Natürlich ist individuelles Erleben nicht unabhängig vom Kontext, in dem dieses Erleben stattfindet, zu denken. Und immer wieder taucht bei mir das Bild von Sisyphos auf und Camus Werk, der Mythos des Sisyphos, der mit den Worten endet: Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
In diesem Sinne würde ich Sie gerne ermutigen, Zuversicht zu kultivieren.
Zuversicht entsteht durch Verbundenheit. Dazu muss man neugierig bleiben oder werden, um den eigenen Fokus auf all die Dinge zu richten, die eine lebbare Zukunft ermöglichen. Wenn dieser Blogartikel dazu beitragen könnte, würde mich das sehr zuversichtlich stimmen. Und vielleicht würde es zur Wiederherstellung ihres Kohärenzkompetenzgefühls beitragen.
Und natürlich wie immer: Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, dann hinterlassen Sie einen Kommentar, teilen ihn in Ihrem bevorzugten Netzwerk oder drucken ihn einfach aus und geben ihn an weniger zuversichtlich gestimmte Menschen weiter.
Foto: adobe.stock ©petra.b